Mittwoch, 30. Mai 2012

Techniken zur Erfassung der Unternehmenskultur (1)


Theorie: Unternehmenskultur analysieren mit der Repertory-Grid-Technik

Wenn wir sehen, tasten wir nicht Punkt für Punkt eines Bildes ab. Das würde viel zu lange dauern. Wir erkennen Muster, die uns wahrscheinlich erscheinen. Das, was wir so erkennen, wird dann interpretiert, und wir handeln so, wie es wahrscheinlich von uns erwartet wird – oder so, wie wir es auf Grund unserer Interpretation für richtig halten.

Aus der Umwelt wahrgenommenes trifft nun wieder auf Umwelt.
Ist irgendwo in dieser Reiz/Reaktion-Kette ein Fehler, müssen wir uns überprüfen.
Simples Beispiel: Wir meinen ein Vorfahrt-Schild gesehen zu haben und fahren zügig über die Kreuzung. Wenn wir die Ampel daneben übersahen, kann es zu einem Unfall kommen. Hat es erst mal gerummst, überprüfen wir das, was wir wahrgenommen haben. Mit der Einsicht des Fehlers beginnt ein Korrekturprozess. - Meist eine schmerzliche Sache.

Jost Amman, 1562: Allegorie der Wahrheit.
Manchmal schwer zu durchschauen...

Wenn man davon ausgeht, dass es keine objektive Wahrnehmung geben kann, da die Realität viel zu komplex für unsere Sinne ist, kann man weiter sagen, dass unsere gesamte Persönlichkeit aus Vermutungen über die Wirklichkeit besteht. Je näher diese Vermutungen als persönliche Konstruktionen der Realität kommen, desto besser funktioniert eine Person in der Umwelt.

In Kellys „Psychologie der persönlichen Konstrukte“ (1955) wird eine Technik vorgestellt, wie man die Vermutungen, nach denen ein Wesen die Wirklichkeit wahrnimmt, interpretiert und korrigiert, erkennen kann: die Repertory Grid-Technik.

Persönlichkeiten bestehen nach Kelly aus Vernetzungen von Begrifflichkeiten (Ähnlichem und Gegenteil), die die Welt uns verständlich und berechenbar machen. Es geht ihm nicht um objektives Richtig-Falsch sondern um funktionierende Konstrukte: also Annahmen über die Realität, die praktikables Verhalten verursachen.

Die Repertory Grid-Technik wird auch zur Analyse und „Behandlung“ von Unternehmenskultur genutzt.

Grob vereinfacht funktioniert der Einsatz so, dass die wesentlichen Faktoren, die das Unternehmen durch seine Kultur erfolgreich machen sollen, gesammelt werden. Aussagen dazu werden auf einer differenzierten Skala bewertet. Die Bewertung wird nicht nur zum Ist-Zustand sondern auch zum Soll-Zustand und in manchen Fällen auch in Relation zur Vergangenheit vorgenommen.

Bildquelle im Anhang
So vereinfacht ist das Ganze praktikabel. Das Schaubild lässt Handlungsbedarf klar erkennen.

Es ist ein sehr flexibler Ansatz. Da er auf einem phänomenologischen Verständnis basiert, wird versucht, möglichst nah an die Innensicht der Unternehmenskultur zu kommen.“ sagt Prof. Dr. Sonja Sackmann, die diese Technik untersucht und bewertet hat.

Allerdings,räumt sie ein, ist die Anwendung aufwändiger als ein Standardfragebogen, ergänzt aber: “dafür erhalten Sie in Bezug auf die Organisation relevante Daten.“

Das Plus der Methode ist also, dass sie die wichtigen Fragen spezifisch auf das Unternehmen und dessen Problematik erst gefunden werden und nicht einfach auf Standards zurückgegriffen wird.
Der Nachteil: Es ist ein aufwendiges Verfahren, dass nicht nur Wissen sondern auch Geschick und Intuition der Berater erfordert. Dem entsprechend fehleranfällig ist es.

Anhang:




G.A. Kelly veröffentlichte 1955 „Psychologie der persönlichen Konstrukte“ Eine ganz einfache Einführung:


Die Repertory Grid-Technik wird auch zur Analyse von Unternehmenskultur eingesetzt.

Bildquelle: Quelle der Abb.: Messen, werten, optimieren/Erfolg durch Unternehmenskultur/Ein Leitfaden für die Praxis
Aus dem Beitrag von Dr. Andrea Krafft, Malik Management Zentrum St. Gallen, BertelsmannStiftung 2006


Sonntag, 20. Mai 2012

Bauernschlau durch Corporate Publishing


Sie kennen diesen Typ: Nichts Besonderes und doch immer auf dem richtigen Dampfer. Sie waren besser informiert. Aber der sticht Sie einfach aus.

Am Ende war der Mörder immer der Gärtner, und der Pfiffikus bekommt die Prinzessin. Irgendwie weiß man das.

Gerd Gigerenzer geht in seinem Buch „Bauchgefühl“ (Goldmann 2007) diesem „Irgendwie“ genauer nach. Dabei zitiert er Untersuchungen, die belegen, dass etwas besser ist als gar nichts oder viel zu wissen. Die Experten, behauptet er, stochern im Nebel, während man mit gepflegtem Halbwissen extrem gut weiter kommt. Er nennt dieses Phänomen den „Weniger-ist-mehr-Effekt“.

2003 wurden Voraussagen verschiedener Gruppen zu den Ergebnissen der Herren-Einzel in Wimbeldon miteinander verglichen. Raten Sie mal, wer am besten abschnitt? - Es waren die Amateure. Experten, Laien und offizielle Rankings kamen da nicht mit.

Wiedererkennung ist ein wichtiger Faktor bei der Anwendung gepflegten Halbwissens. Was wir oft hören, wird gespeichert, anderes fällt durchs Sieb.
Dabei spielen die Medien eine wichtige Rolle. Denn durch die Medien, in denen das, was potentiell wichtig sein könnte, penetrant wiederholt durchgekaut wird, werden wir kollektiv geprägt.
Berichtet wird natürlich eher über das, was für uns relevant sein könnte. - Irgendwann wird relevant, was wir oft hören.

Sind wir deshalb Spielball der Medien?

Nein, denn die Auswahl der Medien wird verifiziert durch unseren Erfolg bei der Anwendung gepflegten Halbwissens.

Frei nach Gigernzer lässt sich der Kreislauf grob vereinfacht so darstellen:

Medienkreislauf: Qualität-Medium-Nutzen







Hochwertige und tatsächlich wichtige Ereignisse werden öfter erwähnt als andere.
Deshalb sind die Ereignisse, Dinge oder Personen, die wir über die Medien vom Hörensagen kennen, wahrscheinlich relevant. So funktioniert das Halbwissen. Es hilft uns, zu antizipieren und gibt uns ein Gefühl der Orientierung. - Berichtet ein Medium allerdings öfter irrelevantes, so dass der Kreislauf nicht mehr funktioniert, werden wir das Medium nicht mehr konsumieren.

Bauernschläue ist ein kulturspezifisches Phänomen. Klar, denn in jeder Wertegemeinschaft, sei es die Große Community eines internationalen Konzerns, die der Manager oder die kleine der verschrobenen Entwickler, gibt es spezifische Medien, die konsumiert werden und somit eine Gruppenprägung ausmachen.

Sollte unsere Intuition in dem einen oder anderen Fall schweigen, haben wir innerhalb einer Gruppe mit der gleichen kulturellen Prägung die Möglichkeit, uns der Mehrheitsmeinung anzuschließen.
Die Chancen, damit richtig zu liegen, stehen deutlich höher als der Zufallswert. Man kann sich auf das gepflegte Halbwissen der Mehrheit verlassen.

Es ist sicherlich interessant, die Relevanz und Qualität des Corporate Publishing unter diesem Aspekt zu prüfen. Jedenfalls lassen sich so spendierte Zeitungen im Gemeinschaftsraum gut begründen. - Denn gemeinsam geteiltes Halbwissen verkürzt viele Wege und verbindet ungemein.

Kurze Checkliste:

  • Welche Communitys gibt es im Unternehmen?
  • Welche Medien stehen diesen zur Verfügung (interne/externe)?
  • Was wird an Fachzeitschriften benötigt/zur Verfügung gestellt?
  • Inwiefern ist diese Literatur Community stärked oder abgrenzend gegenüber anderen Gruppen innerhalb der Firma?
  • Wie viel Raum/Zeit haben die Communitys, Medien zu konsumieren?
  • Funktioniert das Corporate Publishing (Intranet/Betriebszeitung) als kollektiver Meinungsbildner und Wissenspool? Werden die relevanten Themen gelesen? Wird den Inhalten vertraut? - Gibt es Alternativen zum Corporate Publishing?