Montag, 27. Februar 2012

Der Munkel-Raum

Ich besuche diesen Raum täglich. Er ist sehr groß und unübersichtlich verwinkelt. Trotzdem genieße ich meine täglichen Streifzüge durch ihn. Gerade die Größe ist wie ein Versprechen: dort gibt es sicher was zu entdecken...

Wenn ich den Raum betrete, höre ich ein leises Murmeln. Sobald sich meine Sinne an die geruchs- und geschmackslose Dämmerung gewöhnt haben, beginne ich, einige Stimmen klarer ausmachen zu können. Man redet über den Präsidenten. Man redet über lustige Videos und über gute Preise und guten Service dieser oder jener Marke. Ein Bösewicht hat sich eingeschlichen und versucht, mich mit Nachrichten zu belästigen, die er zu laut vorträgt. Ich wende mich ab und gehe in eine Ecke, in der ich auch zu sprechen beginne.
Ich erzähle von meinem Lieblingsthema: „Unternehmenskultur“. Diesmal geht es darum, dass ich eine Tagung besucht habe, bei der ich gelernt habe, das Verhalten in diesem Munkel-Raum gezielt zu beobachten. Auf dem Podium saßen 3 Männer und eine Frau. Obwohl die Frau die größere Community betreute, wurden irgend weshalb immer erst die Herren befragt. Anschließend hieß es dann, ob die Dame auch noch was dazu sagen wolle.

Auf der Tagung war auch viel die Rede davon, dass Unternehmen, um hier erfolgreich zu sein, erst eine Kultur der Offenheit und des Vertrauens schaffen müssten. Die Erkenntnis, dass sowohl Mitarbeiter als auch Kunden Menschen sind, müsse sich ganz konsequent durchsetzen. Sonst könne man eben nicht mitmachen im Munkel-Raum. Dann ginge es schief.

Ich sage mit lauter Stimme - es kostet mich etwas Überwindung -, dass ich dabei helfen kann, diese „Kultur der Offenheit und des gegenseitigen Vertrauens“ in Unternehmen zu schaffen. Ja, das kann ich.

Ich habe drei Zuhörer, über die ich mich sehr freue. 25 weitere stehen mit dem Rücken zu mir und beachten mich nicht weiter.

Im Kaffee-Laden ist was los: Da erzählt man sich, dass man gerade da ist!

Plötzlich, irgendwo, zwei Ecken weiter in der diffusen Dämmerung und dem Rauschen des Munkel-Raumes wird es laut. Irgendwer schreit jemanden an, der nicht darauf reagiert. Daraufhin wiederholen andere die Beschimpfungen, und nach und nach entsteht ein rhythmisches Schreien. Ein unangenehmer Geruch macht sich breit.

An anderen Ecken, ganz bei mir in der Nähe haben sich Leute eingehakt und summen freundlich lächelnd ein schönes Lied vom tollen Preis. Ihre Gesichter leuchten kreisrund und gelb. Die Münder sind nach oben gebogene Linien und die Augen Punkte. Das also sind „Wir“.
Ich trete zu der fröhlichen Gruppe, reduziere mein Gesicht ebenfalls auf ein Smily und schunkel eine Runde.

Als ich dann, weil ich noch was zu erledigen habe, meinen Besuch im Munkel-Raum beende, stelle ich fest, kaum aus dem Raum getreten, dass ich mich irgendwie verändert habe.
Da ist ein gelbes Tattoo auf meiner Stirn. Ein blöder Grinsi.
Macht nichts, den wische ich einfach mit Wasser und Seife wieder weg.

PS: Anregungen, Kommentare, Ergänzungen? - Dann kommen Sie doch zu mir in den Munkel-Raum, da können wir uns unterhalten...

1 Kommentar:

Juliane Spitta hat gesagt…

Gefällt mir! Wo isn der Munkelraum? Würd mich gern mit Ihnen dort verabreden :-)